Liebe Isgaard, “Naked”
ist sehr facettenreich geworden. Beim ersten Anhören sind mir viele
Klänge aufgefallen, die mich an eine japanische Kirschblüte
erinnert haben, oder einfach an einen fernöstlichen Frühling. Vor
allem im ersten Teil des Albums. Liege ich da falsch?
Einen
wirklichen asiatischen Einfluss gibt es eigentlich nur bei "Choni
- the children of Bhutan", das Jens ursprünglich als
Instrumental für den neuen Bhutanfilm von Stefan Erdmann geschrieben
hat. Ich mochte das Stück so gern, dass wir für mein Album eine
Version mit Gesang produziert haben. Allerdings gibt es auf dem
ganzen Album immer mal wieder Einflüsse aus anderen Kulturkreisen.
Das neue Album heisst
„Naked“. Ist das Isgaard pur? Oder was bedeutet für dich der
Name dieses Albums?
Es
gibt zwei Bedeutungen. Die eine ist das "sich-schutzlos-Fühlen"
und die Machtlosigkeit in Situationen, in denen man denkt: Wie konnte
es so weit kommen? Damit meine ich vor allem globale Dinge wie die
Skrupellosigkeit vieler Politiker, die Unterdrückung vieler
Menschen, aber auch das ohnmächtige Zusehen, wie profitorientierte
Unternehmen unsere Welt zerstören. Die Andere ist die psychologische
Ebene in der Beziehung zwischen Menschen: Wenn du wirklich jemanden
erreichen möchtest, jemanden berühren, mit jemandem intensiv
kommunizieren möchtest, dann geht das nur, wenn du alle „Masken"
und „Verkleidungen" fallen lässt, wenn du quasi „nackt"
bist.
Du
hast mittlerweile das 5. Studioalbum herausgegeben. Inwiefern hat
sich Isgaard im Laufe der Zeit verändert?
Das erste Album "Golden
Key" (2003) war noch sehr vom Einfluss meiner damaligen
Plattenfirma Edel-Records geprägt. Danach sind wir eigene Wege
gegangen und haben alles auf unserem eigenen Label veröffentlicht,
um die größtmögliche künstlerische Freiheit zu haben. Ab dem
2008er Album "Wooden Houses" beginnt dann eine Art roter
Faden, der sich bis heute durch meine Alben zieht. Jedes für sich
stellt wieder einen Schritt nach vorn, eine Weiterentwicklung dar.
Gesanglich habe ich mir mit den Jahren neue Klangfarben, tiefere
Lagen und auch einige Ethno-Timbres erarbeitet.
Das
Album wurde mitgeschrieben von Jens Lueck, der es auch produziert und
mitspielt an manchen Instrumenten. Wie läuft bei euch die
Zusammenarbeit? Erst der Text oder der Sound?
Die Basis der meisten
Kompositionen kommt von Jens. Er stellt mir die Sachen vor und dann
arbeiten wir gemeinsam daran weiter. Ab und an läuft es umgekehrt
und ich schleppe Gesangslinien an und Jens harmonisiert und
instrumentiert das Ganze. Oft entstehen zu Beginn schon einige
Textphrasen, die vollständigen Lyrics schreiben wir aber erst,
nachdem die Musik steht. Die Produktion liegt maßgeblich in Jens`
Händen und ich komme immer ins Studio, um den fertigen Mix
durchzusprechen und meine Anmerkungen zu machen. Dann wird hier und
da noch mal etwas geändert.
Im
zweiten Teil des Albums, ab "Break the Deal", geht ihr
musikalisch in eine andere Richtung, es klingt keltischer, bei
Endless Journey dann hört man Streicher. Wie habt ihr es geschafft,
so ein abwechslungsreiches Album hinzubekommen?
Streicher ziehen sich
eigentlich durch viele Songs: In Overflow, In My Arms, On My Knees
und Choni ist ein komplettes Streichorchester zu hören, in "Endless
Journey" kommt dann zusätzlich eine Solovioline zum Einsatz, in
"The World Inside" gibt es ein Streichquartett. Die
Abwechslung kommt daher, dass wir selbst auch sehr unterschiedliche
Musik hören und gerne verschiedene Einflüsse integrieren. Wir
brauchen auch immer mal wieder kompositorische "Ecken und
Kanten", irgendetwas, was überrascht.
Was ist dein
Lieblingssong auf dem Album?
Derzeit "Choni - the
Children of Bhutan". Das kann aber in ein paar Wochen schon
wieder ganz anders aussehen.
Gibt’s es zu den Songs
vielleicht interessante Entstehungsgeschichten? Oder von einem ganz
bestimmten?
Endless Journey zum
Beispiel war auch ein Instrumentalstück mit viel weniger
rhythmischen Elementen für den oben erwähnten Bhutanfilm, dann kam
die Text-Idee und wir haben angefangen, Gesangslinien zu entwickeln
und dem Stück eine Steigerung vom percussiven Bereich her zu geben,
die in dem fetten Finale endet. Wir waren selbst ein wenig
überrascht, was daraus geworden ist. Es hat eine totale Eigendynamik
entwickelt.
"The World Inside"
hat auch eine spezielle Entstehungsgeschichte. Im April 2013 haben
Jens und ich abends hitzig diskutiert, wohin das Album kompositorisch
gehen soll. Er ist generell eher der "Intellektuelle" und
ich die "Emotionale". Am Ende habe ich ihn ein bisschen
provoziert mit der Aussage, dass er vielleicht verlernt habe, richtig
emotionale Stücke zu schreiben; das machte ihn ganz schön sauer. Am
nächsten Morgen kam ich um 8Uhr nach unten und hörte, dass Jens
schon im Studio war. Ich ging rüber und er spielte mir eine
Rohversion von "The World Inside" vor, an der er seit halb
sechs morgens arbeitete. Und ich muss gestehen, dass mir ein paar
Tränen über die Wangen gerollt sind :-)))
Welcher Song war am
schwierigsten zu singen?
”On my knees” war für
mich extrem schwer zu singen, da der Refrain ständig meine Bruchlage
touchierte, wir die Nummer aber nicht in eine andere Tonart
verschieben konnten, da dann die Strophen nicht mehr funktioniert
hätten und das ganze "barocke" Flötensolo hätte
umgeschrieben werden müssen, was sehr schade gewesen wäre.
Zu "Bright Side"
habt ihr ein Video gedreht. Wie wars beim Videodreh, wo habt ihr
gedreht, wie habt ihr die Idee zum Video entwickelt?
Wir haben in der
Lüneburger Heide, in Lüneburg und auf einer alten Elbbrücke bei
Harburg gedreht. Videodrehs sind anstrengend…alles dauert ewig,
immer wieder die gleichen Szenen, viele Kleinigkeiten, man friert
oft….puh! Die Story ergibt sich aus dem Text, auch wenn es im Song
eine "Ebene dahinter" gibt, die wäre aber zu schwierig zu
transportieren gewesen, deshalb haben wir die vordergründige
Liebesgeschichte als Basis für das Video genommen.
Kann man hoffen, euch
demnächst live zu sehen? Wo findet man euch im Netz?
Eine Tour wird es leider
nicht geben, weil es finanziell zu aufwendig ist, dieses Projekt auf
der Bühne zu realisieren. Eine Rockband passt perfekt in einen Club
und gibt auf einer Bühne einfach Gas. Für mein Projekt muss eine
Umsetzung her, die die Emotionen der Musik transportiert. Man müsste
mit einem technisch hochwertigen Einsatz von Licht und Bühnenbild
arbeiten. Es ist ja keine Musik zum Tanzen und Party-Machen. Wir
planen für den Winter 2014/2015 wieder eine Tour mit der
Island-/Isgaard Film-/Music-Show, mit der wir schon mehrere Jahre
unterwegs sind! Weiterhin arbeiten wir auch an einer neuen
Livepräsentation, die dann noch etwas Isgaard-lastiger wäre als die
Island-Show.
Vielen
Dank für das Interview